Während die US-Börsen in den vergangenen Wochen von Rekordhoch zu Rekordhoch eilten, ging es für die Papiere des Sportartikelherstellers Nike nahezu stetig abwärts – vom August-Hoch bei 80,17 US-Dollar gab die Aktie bis zuletzt kontinuierlich bis auf 68,03 Dollar ab. Gestern gab die Nike-Aktie jedoch eine Lebenszeichen von sich und kletterte nach besser als erwartet ausgefallenen Quartalszahlen um mehr als 6 Prozent auf 74,25 Dollar nach oben. Ist die Aktie nun wieder ein Kauf?
Wie die meisten Sportartikelhersteller leidet auch der Branchenprimus Nike noch immer unter den Folgen der Corona-Pandemie. Während der Pandemie zog die Nachfrage nach Sportartikeln sprunghaft an, da die Menschen zuhause festsaßen und anfingen, Sport zu treiben. Die Sportartikelhersteller weiteten ihre Produktion aus, um der Nachfrage Herr zu werden. Doch nach der Pandemie ließ die Nachfrage auch so schnell wieder nach, wie sie angestiegen war, und die Sportartikelhersteller blieben auf ihren Produkten sitzen. Die Lager waren zum Bersten voll. Der Abverkauf der Ware hält zu stark verminderten Preisen bis heute an.
Nike kämpft zudem mit den Folgen einer strategischen Neuausrichtung. Der Konzern hatte in den vergangenen Jahren stark auf den Direktvertrieb gesetzt, was zu einem Verlust von Regalflächen im Einzelhandel führte, insbesondere im wichtigen US-Markt. Gleichzeitig wurde der Fokus auf Lifestyle-Produkte verstärkt, während klassische Sportmodelle vernachlässigt wurden.
Zudem wurden die Sportartikelhersteller von den US-Zollplänen so hart getroffen wie kaum eine andere Branche. Unternehmen wie Nike, adidas oder Puma lassen ihre Produkte zu einem Großteil in asiatischen Ländern produzieren, die von den US-Zöllen jedoch mit am härtesten betroffen sind.
Um den in Schieflage geratenen Sportartikelriesen wieder zur alten Stärke zu verhelfen, wurde vor rund einem Jahr der frühere Topmanager Elliott Hill aus dem Ruhestand zurückgeholt. Als erste Amtshandlung ließ Hill die Lauf-Modellreihen Vomero, Structure und Pegasus überarbeiten, was zuletzt zu einem Verkaufsplus von mehr als 20 Prozent führte.
Am Dienstag nach US-Börsenschluss legte Nike seine Zahlen für das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres vor, die besser als erwartet ausgefallen sind. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr zwar lediglich um 1 Prozent auf 11,72 Milliarden US-Dollar, doch hatten die Analysten einen Rückgang auf 11 Milliarden Dollar erwartet. Der Nettogewinn sank sogar um 31 Prozent auf 727 Millionen Dollar, doch schlug Nike auch hier die Erwartungen des Marktes deutlich, der einen noch deutlich kräftigeren Einbruch erwartet hatte.
Der Markt war scheinbar deutlich zu pessimistisch. Nach den Zahlen passten zahlreiche Analystenhäuser ihre Erwartungen für den Sportartikelhersteller nach oben an. Auch gab es einige Kaufempfehlungen und Kurszielerhöhungen. Doch Nike scheint noch nicht über dem Berg zu sein. Die von US-Präsident Donald Trump eingeführten Importzölle treffen den Sportartikelhersteller härter als zunächst vom Unternehmen angenommen. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet der Konzern nun mit zusätzlichen Kosten von 1,5 Milliarden Dollar – eine halbe Milliarde mehr als noch vor drei Monaten prognostiziert.
Dennoch trägt der Umbau bei Nike erste Früchte. Nike bemüht sich derzeit, sein Verhältnis zu seinen Einzelhandelspartnern wieder herzustellen. Das Unternehmen kehrte zum ersten Mal seit sechs Jahren zu Amazon.com zurück und seine Sneaker stehen wieder im Mittelpunkt der Foot-Locker-Geschäfte. Die Bemühungen resultierten in einem währungsbereinigten Umsatzplus im Großhandelsgeschäft von fünf Prozent im vergangenen Quartal, was über den Erwartungen der Analysten lag.
Weiter schwierig entwickelt sich jedoch das China-Geschäft. Nike spricht hier von „strukturellen Problemen“. Nike werde sich auch dort auf die Umstrukturierung seines Angebots konzentrieren und sich dort auf bestimmte Sportarten fokussieren. Dies werde jedoch Investitionen und Zeit brauchen, sagte Konzernchef Hill.
Der Markt setzt scheinbar auf eine erfolgreiche Umstrukturierung – im Anschluss an die Bekanntgabe der Zahlen zum ersten Quartal sprang die Aktie um mehr als 6 Prozent auf 74,25 US-Dollar nach oben. Das kurzfristige Chartbild hat sich damit wieder etwas gravierender aufgehellt, denn die erst vor wenigen Tagen unterschrittene und aktuell bei 69,90 Dollar verlaufende 200-Tage-Linie konnte sich die Aktie gestern zurückholen. Mit der aktuell bei 74,70 Dollar verlaufenden 50-Tage-Linie wartet nun eine weitere massive Hürde. Kann auch sie gemeistert werden, könnte das August-Hoch bei 80,17 Dollar wieder angesteuert werden. Ein weiteres Anlaufziel könnte danach das Februar-Hoch bei 82,44 Dollar sein, das aktuell das Jahreshoch markiert.